Jugendhilfe vor Gericht

In den meisten Fällen kann der BRJ junge Menschen durch Beratung und Vermittlung außergerichtlich unterstützen. Im Folgenden finden Sie beispielhaft die Fälle und die Urteile, bei denen der BRJ junge Menschen auf gerichtlichem Wege unterstützen musste, ihre Rechte geltend zu machen.

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.12.2020

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Freitag, 11.12.2020, geurteilt, dass für junge Menschen der § 93 SGB VIII und damit das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres maßgeblich ist für die Kostenheranziehung.

Hiermit wurden die vorinstanzlichen Urteile des Verwaltungsgerichtes Dresden und des Oberverwaltungsgerichts Bautzen, sowie das untenstehende Urteil aus Berlin höchstrichterlich bestätigt.

Im vorliegenden Klagefall arbeitete die in einer stat. Einrichtung der Jugendhilfe lebende Klägerin in einer Werkstatt für Behinderte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen und dargelegt, dass der Kostenbeitragsbescheid rechtswidrig ist, weil bei der Berechnung des Einkommens nicht die gesetzliche Regelung angewendet wurde , wonach das durchschnittliche Monatseinkommen maßgeblich ist, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung vorangeht.

Das Gericht entschied zudem, dass der öffentliche Träger zu Unrecht nicht von dem ihm gesetzlich eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat. Nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII kann ein geringerer Kostenbeitrag erhoben oder gänzlich von der Erhebung des Kostenbeitrags abgesehen werden, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Leistung dient. Die Voraussetzung für diese Ermessensausübung war im vorliegenden Fall erfüllt. Sowohl die Hilfe für junge Volljährige als auch die Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen dienen in erster Linie der Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung und der Förderung einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung.

Die Pressemitteilung des Gerichts: https://www.bverwg.de/de/pm/2020/74

Die schriftliche Abfassung des Urteils mit ausführlicher Begründung liegt noch nicht vor und wird nach Bekanntgabe hier veröffentlicht.

OVG Bautzen, 3 A 751/18 – Urteil vom 09. Mai 2019 https://www.justiz.sachsen.de//ovgentschweb/documents/18A751.U01.pdf

Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. März 2015

Eine 16-jährige junge Frau, die in Vollzeitpflege lebt, hatte in 2013 eine Ausbildung begonnen. Das zuständige Berliner Jugendamt setzte daraufhin einen Kostenbeitrag fest, in Höhe von 75 % vom erzielten Nettoeinkommen. Der Vormund der jungen Frau beantragte die Freistellung vom Kostenbeitrag.

Mit Bezug auf die jüngste Gesetzesänderung (KJVVG, gültig seit 03.12.2013) hat das Jugendamt, so urteilt das Verwaltungsgericht Berlin, eine falsche Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt: Maßgeblich für die Berechnung ist nicht (mehr) das aktuelle Jahreseinkommen, sondern das Einkommen des Vorjahres bzw. das Einkommen im der Leistung vorangehenden Kalenderjahr (§ 93 Abs. 4 SGB VIII). Das Gericht urteilte entsprechend, dass der Bescheid in vollem Umfang aufzuheben ist.

Ein Jugendamt kann des Weiteren ganz oder teilweise von einer Kostenheranziehung absehen, wenn die Tätigkeit der jungen Menschen dem Zweck der Leistung dient. „Dies gilt insbesondere, wenn es sich um eine Tätigkeit im sozialen oder kulturellen Bereich handelt, bei der nicht die Erwerbstätigkeit, sondern das soziale oder kulturelle Engagement im Vordergrund stehen“ (§ 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII).

Das Gericht ergänzt, dass neben der Bemessungsgrundlage auch die inhaltlichen Erwägungen des Jugendamts zu beanstanden sind: Ausbildungsverhältnisse seien weder im vorliegenden Fall noch generell ausgeschlossen von einer Bewertung als Tätigkeit, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient. Die Ermessensausübung des Jugendamtes erschien dem Gericht vor diesem Hintergrund unzureichend bzw. fehlerhaft. Das Jugendamt muss in jedem einzelnen Fall prüfen, ob es aus den vorgenannten Gründen von der Kostenheranziehung ganz oder teilweise absieht.

VG-Berlin_Urteil_03-2015

Am 25.07.2012 hat das VG Berlin einer durch den BRJ unterstützten Klage stattgegeben

Es ging um die Frage der Kostenheranziehung der Mutter eines jungen Mannes, der mit seinem Kind als Leistungsberechtigter nach § 19 SGB VIII in einer Mutter/Vater-Kind-Einrichtung betreut wurde. Die Klage wurde gewonnen, ohne dass das Gericht zu der von uns und dem JA in den Fokus gerückten Frage der Anwendung der Freistellungsregelung in § 92 Abs. 4 S. 2 SGB VIII auf Eltern von männlichen Leistungsberechtigten aus § 19 SGB VIII Stellung nahm – die Frage bleibt für einen nächsten Fall offen.
Das VG hielt eine Entscheidung hierzu im konkreten Fall nicht für erforderlich, da die Hilfe mittlerweile beendet und das JA seiner für eine Kostenheranziehung zwingend erforderlichen Aufklärungspflicht nach § 92 Abs. 3 S. 1 SGB VIII nie gerecht geworden ist und eine Kostenheranziehung der Mutter schon aus diesem Grund nicht rechtmäßig wäre.

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 07.04.2009 – Verwaltungsgericht Berlin

Manchmal braucht es eine Klage trotz eindeutiger Leistungsverpflichtung!

Ein Berliner Jugendamt bewilligte eine Jugendhilfemaßnahme gemäß §§ 34, 41 SGB VIII für einen 19jährigen Mann. Dieser zog in einen eigenen Wohnraum und wurde betreut. Eine Zahlung der anfallenden Kosten an den freien Träger erfolgte durch das Jugendamt nicht, trotz unterzeichneter Kostenübernahme. Die Zuständigkeit wurde zwei Monate nach Beginn der Hilfe vom Jugendamt abgelehnt und an ein anderes, örtlich neu zuständiges Jugendamt verwiesen. Trotz wiederholten Hinweisen auf die Leistungsverpflichtung nach § 86 c SGB VIII wollte das Jugendamt nicht zahlen (§ 86c SGB VIII: “Wechselt die örtliche Zuständigkeit, so bleibt der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Der örtliche Träger, der von den Umständen Kenntnis erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat den anderen davon unverzüglich zu unterrichten.”).

Inzwischen waren schon 3,5 Monate vergangen, in denen der freie Träger für die Betreuung des jungen Mannes in Vorleistung gegangen war. Mit Unterstützung seiner Betreuerin wandte sich der junge Mann nun an den BRJ. Mit unserer Hilfe wurde ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und innerhalb kürzester Zeit übernahm das Jugendamt die anfallenden Kosten und wurde die Zuständigkeit geregelt. Dieser Fall zeigt, dass es auch trotz eindeutiger Rechtslage manchmal einer Klage beim Verwaltungsgericht bedarf, um seine Rechte als junger Mensch durchzusetzen!

Beschluss vom 28.11.2008 Oberverwaltungsgericht Berlin

Die Beschwerde eines Berliner Jugendamtes, die geeignete und notwendige Hilfe für eine junge Volljährige in Vollzeitpflege nicht über das 21.Lebensjahr hinaus fortzusetzen, wurde vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückgewiesen.

Kommentar___41-1_04

Beschluss_VG_03

AV Pflege: Pflegepersonen mit ALG II Leistungen erhalten für Pflegekinder zu wenig Jugendhilfe

Der BRJ hat in einem Einzelfall in Abweichung von der Pauschalierung der AV Pflege eine Korrektur der Pflegedienstleistungen für das Pflegekind erreicht.

Falldarstellung

Neue Ausführungsvorschriften über die Höhe der Barleistungen für Unterhalt bzw. Taschengeld im Rahmen der Jugendhilfe (AV-Jugendhilfeunterhalt ››) vom 20.12.2007

Junge Menschen, die über das Jugendamt stationär untergebracht sind, erhalten neben der Betreuung auch den notwendigen Lebensunterhalt vom Jugendamt. Dieser Unterhalt orientiert sich in der Höhe an den Hartz IV-Regelsätzen.
Bisher erhalten Jugendliche, auch wenn sie allein für ihren Haushalt zuständig sind, nicht den Satz eines Haushaltsvorstandes in Höhe von 345,- Euro im Monat, sondern lediglich 305,- Euro.
Mit Unterstützung des Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V. klagten 7 junge Menschen gegen diese Ungleichbehandlung. Nach zum Teil über dreijähriger Verfahrensdauer gab das Verwaltungsgericht Berlin den Klagen nun statt und verpflichtete die Jugendämter zur Nachzahlung der Differenzbeträge an die Klägerinnen und Kläger.
Aufgrund der AV´s wurden die Regelsatzleistungen auf EUR 347 angehoben und sollen grundsätzlich in Höhe des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes (Rechtsgrundlage SGB IIund SGB XII) gewährt werden (Nr. 3 Abs. 2 der AV). Im Gegenzug wurden die Nebenkosten, die vormals an die Träger zur Abdeckung genau bezeichneter Bedarfe geleistet wurden, bis auf Reste abgeschafft (es werden jetzt nur noch Nebenkosten in Höhe von 0,72 EUR/pro Tag für Fahrtkosten an den Träger gezahlt). Die AV räumt für leistungsberechtigte junge Menschen die Möglichkeit ein, “zusätzliche Leistungen” zu beantragen. (Nr.3 Gewährung des Jugendhilfeunterhaltes als Barleistung)
Ausführliche Informationen:

Fachinformation_Regelsaetze_04

Pressemitteilung_BRJ_03

Beschluss vom 25. Januar 2006, Verwaltungsgericht Berlin, 27. Kammer, VG 27 A 229.05

Die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
Neue Zuständigkeit seit dem 1. April 2005: Gebühreneinzugszentrale (GEZ)
Nach der erfolgreichen Klage wurden zwei sehr wichtige Personenkreise in die Befreiung mit aufgenommen.

Auszug aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag:
Befreiungen von der Rundfunkgebührenpflicht werden ausschließlich auf Antrag gewährt. Voraussetzung ist, dass Rundfunkgeräte zum Empfang bereitgehalten werden und der Antragsteller zum unten aufgeführten Personenkreis gehört.
5 b. Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 99 , 100 Nr. 5 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB III) oder nach dem Vierten Kapitel, Fünfter Abschnitt des SGB III, die nicht bei den Eltern leben
Aktueller Bewilligungsbescheid über den Bezug von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)
11. Kinder, Jugendliche und junge Volljährige, die im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches in einer stationären Einrichtung nach § 45 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches leben.
Aktueller Bewilligungsbescheid
Weitere Infos finden Sie unter: GEZ