Presseinfo bzgl. Anfragen zur Situation unbegleiteter Minderjähriger in Berlin im Mai 2023

27.05.2023

Im Mai 2023 haben sich einige Minderjährige, die unbegleitet nach Deutschland eingereist sind, um Schutz zu suchen und die vorläufig in Obhut genommen wurden (§ 42a SGB VIII), an den BRJ – Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V. gewandt. Sie gaben an, dass sie nicht zur Schule gehen könnten, keinen Asylantrag stellen könnten, nur in den Tag hineinleben würden und keine Informationen darüber erhielten wie es für sie weitergehe. Es gäbe zwar eine Betreuung, diese sei jedoch unzureichend.

In Berlin sind viele weitere junge Menschen in einer ähnlichen Lage. Bevor sie für sich eine Perspektive entwickeln können, muss jeweils seitens der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie eine Ersteinschätzung (§42a Abs.2 SGBVIII ) vorgenommen sowie beim Familiengericht die Bestellung eines Vormunds angeregt werden. Erst danach kann dann diese:r Vormund:in einen Antrag auf stationäre Hilfe zur Erziehung (§27 i. V. m. § 34 SGB VIII) beim Jugendamt stellen. Und erst nach Bewilligung dieses Antrages können die jungen Menschen einen Einrichtungsplatz einnehmen, und zwar natürlich auch nur bzw. erst dann, wenn ein solcher zur Verfügung steht. Bis dahin befinden sie sich in der geschilderten Warteposition in Pensionen, Hostels u.a., und zwar auf behelfsmäßigen Plätzen, die den an sich festgelegten Standards der Hilfe zur Erziehung nicht entsprechen.

Es gibt im Land Berlin derzeit deutlich zu wenige Plätze, in denen unbegleitete junge Menschen gemäß den Standards der Erziehungshilfe gemäß SGB VIII betreut werden können. Ebenso gibt es zu wenige Fachkräfte, mit denen die rechtlich vorgesehene Schrittabfolge – Ersteinschätzung –Vormund – Antrag auf und Gewährung der Jugendhilfe – gewährleistet werden könnte. Manche junge Menschen warten bereits seit über einem halben Jahr (Stand Anfang Mai 2023). Der BRJ e. V. ist darüber im ständigen Austausch mit der Senatsverwaltung und beteiligt sich an Maßnahmen zur Abhilfe.

Alle jungen Menschen, die sich hilfesuchend an den BRJ e.V. gewandt haben, wurden und werden, ggf. mit Hilfe des Gemeindedolmetscherdienstes, je nach Lage ihres Einzelfalls persönlich unterstützt und bei der oben geschilderten Schrittabfolge erforderlichenfalls auch begleitet.

Nicht nur in Berlin gibt es erhebliche Mängel und folgenschwere Verzögerungen in der vormundschaftlichen und sozialpädagogischen Betreuung von minderjährigen Schutzsuchenden. Auch z.B. die Ombudsstelle für Jugendhilfe in Hamburg https://www.instagram.com/oha_ombudsstelle_hamburg/ berichtet von großen Problemen.


Manfred Jannicke, Vorstand BRJ e.V.
Tel: 0163 9894388

1 Laut § 42a Abs. 4 SGB Vlll müssen Ergebnisse der Einschätzung im Erstgespräch innerhalb von sieben Werktagen an die für die Verteilung auf andere Bundesländer zuständige Stelle mitgeteilt werden. Daraus ergibt sich, dass das Erstgespräch ebenfalls innerhalb dieser Sieben-Tage-Frist stattfinden muss.