BRJ-Stellungnahme zur SGB VIII-Novelle
In einer Arbeitsfassung zum erwarteten Referatsentwurf des BMFSFJ zur SGB VIII-Novelle werden neben der erstmaligen Anerkennung der Ombudschaft und der „Inklusiven Lösung“ auch Veränderungen bei den Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII), der Jugendsozialarbeit/Jugendberufshilfe (§ 13 SGB VIII) und ein neues Übergangsmanagement vorgeschlagen. Die Stellungnahme aus dem Arbeitszusammenhang des BRJ-Projekts „Zuständig bleiben. Ombudschaft für junge Menschen in schwierigen Übergängen” beschreibt und bewertet die geplanten Veränderungen in diesen Bereichen. Die BRJ-Stellungnahme können Sie hier lesen und herunterladen.
Kurzfassung:
Die bekannt gewordene Arbeitsfassung sieht einen Anspruch auf Fortsetzungshilfe für junge Volljährige vor – das wäre ein echter Gewinn. Gleichzeitig wird jedoch der Anspruch für Erstanträge von 18- bis 21-jährigen jungen Menschen und die Rechtsqualität der Hilfen insgesamt geschwächt (restriktivere Leistungsvoraussetzungen, Einschränkung von Verfahrensrechten und des Hilfespektrums; dies u.a. durch einen neuen Vorrang von Angeboten der Jugendberufshilfe für junge Volljährige). Insofern stellen die geplanten Veränderungen einen Verlust dar, denn das aktuelle Recht enthält für junge Volljährige bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres einen Rechtsanspruch im Regelfall. Zukünftig wäre dann keine konkrete Leistung mehr für die jungen Menschen einklagbar, sondern es könnte nur noch die Ermessensausübung des Jugendamtes überprüft werden. Fachlich lässt sich nicht rechtfertigen, jungen Menschen, deren Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und die Hilfe zur Verselbständigung brauchen, den Zugang zu Unterstützung in der Jugendhilfe zu verwehren.
Nach einem starken Rückbau von Angeboten der Jugendberufshilfe innerhalb der letzten Jahre wären gesetzgeberische Impulse zum Wiederaufbau entsprechender Strukturen in der Jugendhilfe und zur Verdeutlichung und Neugestaltung des sozialpädagogischen Vorrangs der Jugendberufshilfe des § 13 SGB VIII notwendig. Wenn Leistungen der Jugendberufshilfe zukünftig im Wesentlichen als infrastrukturelle Angebote ausgestaltet werden sollen, dann ist eine gleichzeitige Aushöhlung von individuellen Rechtsansprüchen, wie sie sich in den Änderungen abzeichnet, klar abzulehnen – stattdessen wäre es sinnvoll die individuellen Rechtsansprüche vielmehr zu stärken und zu sichern. Im Rahmen der geplanten Ausdehnung der Möglichkeit von Ausschreibungs- und Vergabeverfahren ist mit Standardabsenkungen, einer Schwächung der freien Träger als Kooperationspartner des öffentlichen Trägers sowie einer Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 5 SGB VIII) zu rechnen.
Der in den Arbeitsentwurf aufgenommene Ansatz eines Übergangsmanagements ist wichtig und gut, um eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Rechtskreisen (SGB VIII, SGB II, III, SGB XII) im Interesse der jungen Menschen herbeizuführen. Die Stellungnahme spricht sich für eine Stärkung der Jugendhilfe in der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit aus. Damit das Übergangsmanagement in der Praxis nicht als „Ausleitungsmanagement“ missbraucht wird und junge Menschen nicht noch früher als bisher aus der Jugendhilfe entlassen werden, spricht sie sich ferner aus für ein deutliches Signal, dass sich Jugendhilfe in diesem Übergangsbereich bewusst und offensiv im Interesse der jungen Menschen engagieren will und auch soll.
Da eine Stärkung der individuellen Rechtsansprüche von Kindern und Jugendlichen ein Kernaspekt der SGB VIII-Novelle ist, wären – so die Stellungnahme – auch die Rechtsansprüche der älteren Jugendlichen sowie jungen Volljährigen zu stärken. Dazu ist es notwendig, dass die Jugendhilfe ihre Verantwortung auch für junge Menschen mit Problemen am Übergang Schule-Ausbildung-Beruf wieder stärker übernimmt. Die vorgesehene programmatische Verankerung von Ombudschaft macht nur dann Sinn, wenn individuelle Rechtsansprüche und konkrete Verfahrensrechte, Einzelfallgerechtigkeit und Bedarfsorientierung jugendhilferechtlich gesicherte Stellschrauben der Jugendhilfe bleiben.